Er widersetzte sich dem Befehl seines Oberkommandierenden Eisenhower und ließ deutsche Kriegsgefangene frei. Nur wenige Monate später war der unbequeme General tot. In unserer neuen Geschichtsausgabe „Die Todeslager der Amerikaner“ dokumentieren wir den US-Massenmord an Deutschen auf den Rheinwiesen – und geben den Opfern eine Stimme. Hier mehr erfahren.
Anfang Mai 1945 entließ General George S. Patton eigenmächtig die deutschen Kriegsgefangenen in seinem Einflussbereich und bewahrte sie so vor dem Verhungern. Umgehend reagierte das alliierte Hauptquartier und verbot ab dem 15. Mai 1945 weitere Freilassungen. Wie in der offiziellen Geschichte der 15. Armee nachzulesen ist, intervenierte Eisenhower höchstpersönlich und untersagte in einem am 16. Mai geführten Telefonat General Omar N. Bradley, seine Kriegsgefangenen ähnlich wie Patton zu entlassen. Doch wer war der Mann, der in zwei Kriegen gegen die Deutschen kämpfte –und ihnen dennoch höchste Wertschätzung entgegenbrachte?
Seine ersten Meriten als Militär erwarb sich der 1885 in San Gabriel, Kalifornien, geborene George S. Patton bereits im Ersten Weltgrieg, genauer gesagt in der Maas-Argonnen-Offensive im Herbst 1918, als die Amerikaner knapp 200 leichte Panzer in die Schlacht schickten. Die US-Streitkräfte hatten die Tanks erst wenige Monate zuvor übernommen. Erfahrung mit dem Gerät hatte niemand.
Das war die Stunde von Oberstleutnant Patton: Der 32-jährige Kavallerieoffizier empfahl sich bei seinen Vorgesetzten für diese neue Aufgabe und übernahm nach seiner Ankunft in Frankreich die Ausbildung der Panzerfahrer. Patton, der bereits beim Kampf gegen mexikanische Aufständische erste Fronterfahrung gesammelt hatte, sah in dieser neuen Waffengattung seine Chance zum Aufstieg. Wenige Monate später, im Sturm der letzten Schlacht des Großen Krieges, nutzte er sie.
An vorderster Front
Nachdem die Artillerie die feindlichen Stellungen mürbe geschossen hatte, rollten Pattons Panzer nach vorn. Das Gelände war zerfurcht von Granattrichtern, Schützengräben und Stacheldraht, ein schnelles Vorgehen unmöglich. Doch noch mehr als das Gelände, waren die frühen Tanks selbst nicht für einen Blitzangriff geeignet. Quälend langsam, mit schlechter Sicht und handgeführten Geschützen, hielten sie zwar dem deutschen MG-Feuer stand – überraschende Zangenbewegungen oder ein Vorstoß in den rückwärtigen Raum aber waren undenkbar.
Pattons erste Panzer hatten noch nicht viel mit ihren Nachfolgern zu tun. Sie erreichten eine Höchstgeschwindigkeit von acht Kilometer in der Stunde – auf glatter Straße. Zudem war der Einsatz eines Führungsfahrzeugs noch gänzlich unbekannt. Patton versuchte, mit Sicht- und Rufzeichen aus einem Gefechtsstand heraus zu führen. Bereits nach hundert Metern hatte er jedoch weitestgehend den Kontakt zu seinen Männern verloren.
Jetzt zeigte sich der stürmische Charakter des Oberleutnants, der ihn ein Vierteljahrhundert später zur Legende werden ließ: Als einige seiner Panzer stecken blieben, sprang Patton aus seinem Gefechtsstand und stürzte sich selbst ins Chaos der Schlacht. Nur mit seinem Revolver in der Hand lenkte er seine Panzer von vorderster Linie. Er rannte, schrie und trieb an.
Als Patton eine Gruppe Infanteristen übernahm, die in einem Granattrichter kauerte, traf ihn ein deutsches MG-Geschoss am Bein. Trotzdem führte und kämpfte er an diesem Tag weiter. Aus dem Lazarett schrieb er an seine Frau: „Der Frieden ist greifbar nah. Aber ich hoffe, noch ein paar Gefechte erleben zu dürfen.“ Acht Wochen später, an seinem dreiunddreißigsten Geburtstag, war der Erste Weltkrieg zu Ende.
Operation Cobra
26 Jahre später sollte Patton nach Frankreich zurückkehren. Vier Wochen zuvor hatte die Landung der Alliierten in der Normandie ohne ihn stattgefunden. Die Erstürmung der Strände und die Einnahme der deutschen Wehranlagen waren auch im Zweiten Weltkrieg vorrangig Handarbeit der Infanterie geblieben. Ein erfahrener Panzergeneral, zu dem sich Patton durch die siegreichen Feldzüge in Nordafrika und Sizilien entwickelt hatte, war nicht gefragt.
Zudem hatte ihn sein aufbrausender Charakter eine Zeit lang ins militärische Aus befördert: Beim Besuch eines Feldlazaretts auf Sizilien hatte Patton einen Gefreiten geohrfeigt und als Feigling beschimpft. Der Mann hatte einen psychischen Zusammenbruch erlitten und war kampfunfähig. Als der Zwischenfall öffentlich wurde, sah sich sein Vorgesetzter, General Eisenhower, gezwungen, den rauflustigen Kameraden aus der Schusslinie zu nehmen.
In der Folge gab Eisenhower Patton das Kommando über die Erste US-Heeresgruppe, einen Verband, der nur auf dem Papier existierte. Damit wurde der Kalifornier Teil eines gigantischen Täuschungsmanövers, um der Wehrmacht die Landung am Pas-de-Calais vorzugaukeln – zweifelsfrei eine wichtige strategische Aufgabe, aber kein Posten für einen Mann auf der Suche nach Ruhm und Ehre. Der Kampf in Frankreich ließ die Ohrfeigen-Affäre allerdings schnell in Vergessenheit geraten. Patton bekam das Kommando über die 3. US-Armee, einen panzerstarken Verband, den er bis zum Ende des Krieges führen sollte.
Vier Wochen nach der Invasion hatten die Alliierten ihren Brückenkopf in der Normandie ausgebaut und gesichert. Am 25. Juli 1944 begann mit der Operation Cobra der Angriff auf die deutschen Linien. Die Hecken und Zäune der Normandie erschwerten den alliierten Vormarsch. Anders als 1918 war die Panzerwaffe im Zweiten Weltkrieg zum Hauptträger der Landkriegführung geworden. In einer Pressekonferenz 1944 fasste Patton sein Motto zusammen: „Wann immer man etwas verlangsamt, verschwendet man Menschenleben.“
Die Briten „zurückjagen“
Nach den Bombardements der deutschen Verteidigungsstellungen am Morgen des 25. Juli 1944 stieß Pattons Armee am südlichen Ende des alliierten Brückenkopfes vor. Bei Avranches trafen die Truppen auf bereits zerschlagene Verbände von Wehrmacht und Waffen-SS. Das Gelände der Normandie bot den Verteidigern sehr gute Bedingungen: kleine Felder, durchzogen von Entwässerungsgräben und Gehölzhecken.
Doch die Luftschläge hatten den Deutschen schwer zugesetzt. So konnten Pattons Panzer bereits am ersten Tag acht Kilometer Geländegewinn machen. Das taktische Vorgehen des Generals war dabei ebenso robust wie effektiv: Starke, gepanzerte Speerspitzen suchten Feindkontakt und schlugen mit Hilfe von fahrbarer Artillerie Breschen in die Verteidigungslinien der Wehrmacht. Andere Panzerverbände setzten sofort in diese Breschen nach und verfolgten die zurückweichenden Deutschen bis weit über ihre Auffangstellungen. Auf diese Weise verhinderte Patton, dass sich die ausweichenden Verbände sammeln und neuformieren konnten.
In knapp zwei Wochen rückten seine Panzerspitzen fast 100 Kilometer vor. Am Ende der Operation Cobra riegelte die 3. Armee den Kessel von Falaise von Süden her ab und schloss damit über 100.000 deutsche Soldaten ein. Als General Patton die Stadt Argentan erreicht hatte, bekam er den Befehl zum Halt, um auf die britischen Verbände von Norden zu warten. Nachdem sich diese aber über mehrere Tage verzögerten, rief er seinen Vorgesetzten an und bat diesen: „Lassen Sie mich nach Falaise weitermarschieren, und wir werden die Briten zu einem zweiten Dünkirchen in die See zurückjagen.“ Dieser Mann suchte Ruhm, keine Sympathien.
Entscheidung in den Ardennen
Nach der Eroberung Westfrankreichs konnte sich die „Dritte“ vier Wochen erholen und die Verluste auffüllen. In dieser Zeit verlegte der Verband nach Norden. Dort hatten sich Wehrmachtseinheiten in alten französischen Festungen zur Verteidigung eingerichtet. Pattons Soldaten nahmen in den Monaten Oktober und November an der Eroberung des Gebiets teil. In dieser Zeit zog die Wehrmacht starke Verbände in den Ardennen zusammen, um den alliierten Vorstoß doch noch zu stoppen.
Die letzte große Offensive der deutschen Wehrmacht sollte dem 59-Jährigen schließlich noch einmal die Chance geben, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Die Ardennenoffensive erwischte die Amerikaner im kalten Kalten Winter unvorbereitet – kaum jemand hatte mehr mit einem derart derartig erbitterten deutschen Gegenschlag gerechnet. Auf dem Höhepunkt des Unternehmens Wacht am Rhein wurden amerikanische Fallschirmjäger der 101. Luftlandedivision bei der belgischen Stadt Bastogne durch die Wehrmacht und Waffen-SS eingekesselt. Um eine drohende Katastrophe abzuwenden, bekam Patton den Befehl, mit seiner Armee den Entlastungsangriff durchzuführen.
Auf Eisenhowers Frage, wie lange er brauche, um seine Armee abmarschbereit zu machen, antwortete Patton: „Abmarschbereit, wenn Sie mit mir hier fertig sind.“ Und er lieferte. Nach der Ardennen-Schlacht führte der mittlerweile berühmt-berüchtigte General seine Armee durch den Süden des Deutschen Reiches. Er eroberte Teile Thüringens, Bayerns und der Tschechoslowakei. Bei Kriegsende hatte seine Division 281 Kampftage durchlebt.
Pattons mysteriöser Tod
Anders als der Oberkommandierende der alliierten Streitkräfte, General Dwight D. Eisenhower, war Patton kein Deutschenhasser, sondern brachte seinem Gegner in zwei Weltkriegen höchste Wertschätzung entgegen. Der General hatte während und nach der Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 wiederholt und
energisch die deutschfeindliche Einstellung seines Vorgesetzten kritisiert. So beklagte Patton noch im Sommer
1945:
„Wir sind im Begriff, den einzigen halbmodernen Staat Europas von Grund auf zu zerstören, damit Russland ihn verschlingen kann.“
Mit Eisenhower geriet er deswegen immer wieder aneinander. Sobald der Krieg vorbei war, ließ Patton seine Gefangenen frei, damit sie für sich selbst sorgen und den Weg nach Hause antreten konnten. Eisenhower war darüber außer sich vor Wut und erteilte seinem General den Befehl, diese Männer wieder einzufangen und internieren zu lassen. Doch Patton ignorierte diese Anweisung einfach. Für seinen Hauptgegner fand er Worte des Respekts und der Wertschätzung:
„Ich habe große Achtung vor den deutschen Soldaten. In Wirklichkeit sind die Deutschen das einzige anständige in Europa lebende Volk.“
Dass der hoch geachtete Panzergeneral seinem Oberkommandierenden nicht noch mehr Ärger bereiten konnte, liegt an seinem bald darauf folgenden Tod, dessen Umstände bis heute ungeklärt sind. Am 9. Dezember 1945, einen Tag vor seiner geplanten Rückkehr in die USA, begab sich der General gemeinsam mit seinem Chef des Stabes, Generalmajor Hobart R. Gay, auf Fasanenjagd.
Gegen 11:45 Uhr stieß ihr Wagen, ein Cadillac Model 75, gefahren von PFC Horace Woodring, auf einem Bahnübergang in Mannheim-Käfertal mit einem amerikanischen Lkw frontal zusammen. Während General Gay und der Fahrer unverletzt blieben, erlitt Patton einen Halswirbelbruch mit einer Querschnittlähmung. Am 21. Dezember 1945 erlag er seinen schweren Verletzungen. Der Tod des unbequemen Generals kam Eisenhower sehr gelegen.
Ein ungesühntes Nachkriegsverbrechen, das Eisenhower zu verantworten hatte – und Patton verhindern wollte: In unserer neuen Geschichtsausgabe „Die Todeslager der Amerikaner – Massenmord an den Deutschen auf den Rheinwiesen“ brechen wir das Schweigen – und zeigen, was Millionen Kriegsgefangenen in US-Haft angetan wurde. Hier bestellen.